Papst Benedikt XVI. und Traunstein
Film über Papst Benedikt XVI. und seine "Vaterstadt" Traunstein
Man muss in Traunstein gewesen sein, um Papst Benedikt XVI. zu verstehen […]. Fern von den großen Städten liegt der Ort vor den Bergen, und noch ein wenig weiter abgelegen liegt das bescheidene Bauernhaus, in dem Joseph Ratzinger Kindheit und Jugend verbrachte. […] Der kleine Joseph ist groß geworden und berühmt, Professor, Bischof, Präfekt der Glaubenskongregation, Papst. Er hat die Welt bereist und ist nun der bekannteste Deutsche der Welt. Aber das Traunstein seiner Kindheit ist in ihm geblieben [...] mit seiner bodenständigen Frömmigkeit, mit der Wärme einer Heimat, in die nichts Fremdes, Verunsicherndes, Unheimliches eindringt.“ Treffend und überaus einfühlsam charakterisiert Matthias Drobinski in seinem Leitartikel „Glaube als Gewissheit“, veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung vom 14. April 2007 anlässlich des 80. Geburts¬tags Papst Benedikts, dessen Beziehung zum „Herz des Chiemgaus“. Kürzer und einprägsamer gelang dies nur ihm selbst, als er, damals noch Kardinal, am 12. Mai 2002 bei seinem einzigen offiziellen Besuch Traunsteins äußerte: „Mich und meinen Bruder freut es, unsere Vaterstadt so schön als Heimat erleben zu dürfen.“
„Vaterstadt“ also und „Heimat“, so ordnet Joseph Ratzinger die Bedeutung Traunsteins für sich ein. Geboren aber wurde er am 16. April, dem Karsamstag des Jahres 1927, in Marktl als Sohn des Gendarmeriemeisters Joseph Ratzinger und seiner Frau Maria. Die beiden älteren Geschwister Maria und Georg hatten 1921 bzw. 1924 in Pleiskirchen bei Altötting das Licht der Welt erblickt. 1937, nach der Pensionierung des Vaters, bezog die Familie ein altes, 1726 erbautes Bauernsachl im benachbarten Hufschlag, Gemeinde Surberg. Für Joseph begann mit dem Eintritt in die erste Klasse des „Humanistischen Gymnasiums“ der sprichwörtliche Ernst des Lebens, dem er sich mit Neugier und wachsender Begeisterung stellte, obwohl er der Jüngste und einer der Kleinsten der Klasse war. Latein und Griechisch waren seine Lieblingsfächer, Sport stand am anderen Ende der Skala. Er selbst sah sich durchaus mit „einer gewissen Tendenz zur Frechheit“ ausgestattet. Ungeachtet dessen kann das heutige Chiemgau-Gymnasium stolz sein auf seinen prominentesten „Ehemaligen“, auch wenn er das Abitur nicht hier, sondern in München ablegte, wohin ihn und seine Kameraden ab 1943 der Krieg als Flakhelfer – mit „Notunterricht“ am dortigen Maxgymnasium – verschlagen hatte.
Im April 1939 folgte Joseph seinem Bruder Georg in das Erzbischöfliche Studienseminar auf der Wartberghöhe. Für die Eltern war das ein großes finanzielles Opfer, für den jüngsten Sohn ein tiefer Einschnitt. „Nun in einen Studiersaal mit etwa sechzig anderen Buben eingefügt zu sein, war für mich eine Folter, in der mir das Lernen, das mir vorher so leicht gewesen war, fast unmöglich schien.“ Doch in den Wirren der Kriegsjahre versöhnte sich Joseph mit dem Leben im Internat. „Ich musste lernen, mich ins Ganze einzufügen, aus meiner Eigenbrötlerei herauszutreten und im Geben und Empfangen eine Gemeinschaft mit den anderen zu bilden.“ Die Verbundenheit mit dem Studienseminar wuchs, und auch später riss der Kontakt nie ab. Seine letzte Amtshandlung als Erzbischof von München und Freising, das Seminar zu einer Stiftung zu erheben, sicherte 1982 die Zukunft des Hauses. Lange Jahre, letztmals 2005, verbrachte er hier, zusammen mit seinem Bruder, einige ruhige Tage zwischen Neujahr und Heilig-Drei-König.
„Heimatliche Pfarrkirche“, so bezeichnet der Papst St. Oswald. Mit seinem Pendant in Marktl hat das erstmals 1342 urkundlich erwähnte Gotteshaus das Patrozinium gemeinsam. Daher hält seit dem 19. April 2005 der Heilige Oswald, Patron für Ernte, Wetter und Viehzucht, seine schützende Hand sowohl über die Tauf- als auch die Primizkirche des 265. Papstes der Kirchengeschichte, des ersten Deutschen auf dem Stuhl Petri seit 482 Jahren. Hier wurde er 1937 gefirmt und spendete Jahrzehnte später als Erzbischof selbst dieses Sakrament, hier hatte er sich als Theologiestudent am liturgischen Dienst beteiligt, hier feierte er 1976 sein silbernes, 2002 das goldene Priesterjubiläum. Über allem aber steht der 8. Juli 1951. Am „Tag, den der Herr gemacht“, leuchtete sie bei seiner und seines Bruders ersten heiligen Messe „in ihrem schönsten Glanze“.
Von Traunstein als der „schönsten Stadt der Welt“ hatte Georg Ratzinger, geplagt von Heimweh, einmal gesprochen. Und er sollte ihr als Chorregent noch eine ganze Weile, von 1957 bis 1964, erhalten bleiben, bevor er die weltberühmten Regensburger Domspatzen übernahm und 30 Jahre lang erfolgreich leitete. Vielen Traunsteinern ist das Bild des über den Stadtplatz radelnden Chordirektors noch in guter Erinnerung. Seine Dienstwohnung hatte er in der Mittleren Hofgasse 24, im Volksmund „Predigerhäusl“ genannt. Hier nahm Georg Anfang Juni 1959 auch die Eltern zu sich. Der Vater verschied wenige Monate später, die Mutter folgte ihm 1963 kurz vor Vollendung des achtzigsten Lebensjahres. Beide wurden zunächst in Traunstein beigesetzt. 1974 überführte man die sterblichen Überreste nach Regensburg auf den Ziegetsdorfer Friedhof, wo auch die 1991 im Alter von 69 Jahren verstorbene Maria Ratzinger beerdigt ist.
Einstimmig beschloss der Stadtrat am 16. Juni 2005, dem „bayerischen Papst“ das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. „Gerne nehme ich die mir angetragene Würde [...] an“, so steht es in Benedikts Brief vom 29. Juli 2005 zu lesen. Und so konnte Oberbürgermeister Fritz Stahl am 8. Februar 2006 in Rom an der Spitze einer Delegation persönlich die Urkunde überreichen. Der Heilige Vater bedankte sich, sichtlich erfreut und bewegt, mit der Feststellung, „dass Traunstein für mich die Liberalitas Bavarica, die Humanitas und die Christianitas Bavarica verkörpert. [...] Dieser Dreiklang, denke ich, ist mir gerade dort spürbar geworden und ich wünsche der schönen Stadt Traunstein, dass dieser Dreiklang sie auch weiterhin charakterisiert.“ Ein schöneres Lob, eine höhere Auszeichnung, eine größere Anerkennung vermag man einer altbayerischen Stadt schwerlich auszusprechen.
Traunsteiner Benediktweg:
Auf den Spuren von Papst Benedikt XVI. em.
©Stadt Traunstein